Interview: FIFA-Profi SaLz0r über den E-Sport und das Leben als E-Sportler

MUNICH, GERMANY - JANUARY 23: Benedikt “SaLzOr“ Saltzer and Benedikt “BeneCR7x“ Bauer of Wolfsburg compete during the Virtual Bundesliga Featured Matches Game Day 16 and 17 on January 23, 2020 in Munich, Germany. (Photo by Sebastian Widmann/Bundesliga/Bundesliga Collection via Getty Images)

Benedikt „SaLz0r“ Saltzer, 28 Jahre, ist E-Sportler und spielt für den VfL Wolfsburg professionell Videospiele der Videospielreihe FIFA. Er gehört zu den Top 50 der Welt und ist u.a. Trainer der DFB eNationalmannschaft. In diesem Interview gibt SaLz0r Einblicke in die Welt des E-Sports und sein Leben als E-Sportler. Das Interview führte das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung (MW).

„Mein Weg zum E-Sport war eigentlich Zufall“

MW: Hallo Benedikt. Es freut uns, dass wir heute mit dir sprechen können. Vielleicht zum Einstieg, bevor wir uns dir und deiner Karriere widmen: Hast du etwas von unserem Event Virtual Champion Niedersachsen mitbekommen?

SaLz0r: Ja klar! Das ist einer der Gründe, warum ich mich zu dem Interview bereit erklärt habe. Ich finde es gut, dass Niedersachsen den E-Sport vorantreiben will. Ein Turnier ist da ein guter Einstieg!

MW: Super, es freut uns, wenn wir auf einem guten Weg sind. Nun aber zu dir: wie bist du eigentlich zum E-Sport gekommen?

SaLz0r: Mein Weg zum E-Sport war eigentlich Zufall. Ich hab‘ schon immer sehr gern Videospiele gespielt und bin leidenschaftlicher Fußballer. Früher oder später kam ich so zu der Videospielreihe FIFA. Das hat mir einfach Spaß gemacht. Zu Anfang habe ich nur gegen meine Freunde und die Leute in meiner Umgebung gespielt. Einfach hobbymäßig an der Konsole, so wie viele andere auch. Irgendwann hat mir das aber nicht mehr gereicht. Ich bin halt so ein Mensch, der immer besser werden möchte und unter meinen Freunden war ich relativ schnell der Beste. Mein Cousin hat mich deshalb auf die ESL aufmerksam gemacht, die Electronic Sports League. Das war damals die coolste Seite für E-Sport. Neben Turnieren gab es dort für FIFA auch eine Deutschland-Liga, zu der sich jeder anmelden konnte. Es gab da kein Preisgeld oder so. Es war einfach eine Liga, in der sich Spieler aus ganz Deutschland miteinander messen konnten.

Die ersten Angebote aus dem Bereich E-Sport bekam ich, als ich in der Deutschland-Liga längere Zeit unter den Top 20 war. 2009 ging’s dann los mit der ersten Deutschen Meisterschaft, die ich dann ja auch direkt gewonnen habe. Damals war ich 16 Jahre alt.

In der Folgezeit hab ich dann mal mehr, mal weniger gespielt – gerade auch in der Zeit in der ich mich aufs Abi vorbereitet habe. Aber als es dann losging mit den ChampionsTurnieren und allem drum und dran , und vor allem nach dem Einstieg beim VfL Wolfsburg wurde das Ganze für mich nochmal deutlich größer und FIFA zu meinem Beruf.

MW: Wie sieht denn dein Alltag als FIFA-Profi aus?

SaLz0r: Das ist ganz unterschiedlich (lacht). Normalerweise spiele ich von 10 bis 15 Uhr FIFA, streame das Ganze auf Twitch und beantworte nebenbei Fragen meiner Community. Dann mache ich Mittagspause und esse etwas. Nach der Mittagspause produziere ich dann meistens noch bis abends YouTube-Videos und anderen Content. Ich bin also in der Breite komplett eingespannt, Content-Creator und Influencer wie es so schön heißt.

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Benedikt „SaLz0r“ Saltzer produziert als E-Sportler u.a. YouTube-Videos

Am Anfang eines Spieljahres, wenn gerade eine neue FIFA-Version erschienen ist, sieht mein Tag allerdings etwas anders aus. Da erstelle ich nach der Mittagspause keinen Content, sondern spiele weiter FIFA, um mich mit den neuen Features vertraut zu machen und die neuen Spielmechaniken zu lernen. Abends geht’s dann kurz zum Fußballtraining und anschließend steht nochmal FIFA auf dem Programm. Am Anfang eines Spieljahres muss man echt viel Zeit investieren, gern auch mal 14 Stunden am Tag. Es gibt einfach immer mehr Leute, die viel spielen und das Ganze auch professionell betreiben. Da muss man sich engagieren, um weiter zu den Besten zu gehören. Außerdem stehen einen Monat nach Veröffentlichung einer neuen FIFA-Version meistens schon die ersten Turniere und Qualifikationen an, die dann für das ganze Jahr zählen.

MW: Erscheint jedes Jahr eine neue FIFA-Version?

SaLz0r: Ja, das Spiel ist jedes Jahr neu. FIFA-Profis müssen sich wirklich jedes Jahr aufs Neue an das Spiel gewöhnen und sich mit den Änderungen vertraut machen. Dabei kann es auch mal vorkommen, dass man mit der neuen Version nicht klar kommt oder bestimmte Änderungen schlecht findet. Das muss man dann halt wegstecken und trotzdem die bestmögliche Leistung abrufen. Ist halt der Job. Aber meistens macht es ja auch einfach nur Mega Laune alles Neue zu entdecken und zu merken, wie man besser wird.

Irgendwann, wenn man ca. 800 bis 1.000 Partien, dann hängt einem FIFA vielleicht auch mal zum Hals raus. Aber auch dann muss ein Profi dranbleiben. Da trennt sich dann die Spreu vom Weizen.

„Sport und E-Sport schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich“

MW: Du hast erwähnt, dass du ab und an zum Fußballtraining gehst. Ist Sport für dich ein wichtiger Ausgleich?

SaLz0r: Ja, absolut! Ich bin davon überzeugt, dass man als E-Sportler einen sportlichen Ausgleich braucht – allein schon, um sich körperlich ein wenig fit zu halten. Körperliche Fitness ist wichtig, um sich lange konzentrieren zu können. Sport und E-Sport schließen sich deshalb nicht aus, sondern ergänzen sich. Wie man sich fit hält, ist natürlich jedem selbst überlassen. Aber ohne körperliche Fitness wird man als E-Sportler keine Topleistungen abliefern können.

Ich spiele Fußball seit ich denken kann und bin aktuell Stürmer in der Kreisoberliga. Training habe ich zweimal in der Woche und die Spiele sind an den Wochenenden. Früher habe ich auch Verbandsliga gespielt, aber das war irgendwann zeitlich einfach nicht mehr drin, weil FIFA zu groß geworden ist. FIFA ist einfach mein Job und meine Hauptpriorität.

MW: Manche Teile der Bevölkerung blicken noch immer kritisch auf den E-Sport. Immer wieder ist zu hören, dass E-Sport kein richtiger Sport sei und ohnehin nur von unsportlichen Stubenhockern ausgeübt würde. Was erwiderst du auf diese Kritik?

SaLz0r: Diese Ansicht wird dem E-Sport nicht gerecht. Man muss sich nur mal die E-Sportler bei einem Turnier angucken. E-Sportler sind mittlerweile relativ fit. Viele haben sogar eigene Fitness-Trainer, gerade auch die, die in Vereinen sind. Es ist einfach ein Fakt, dass körperliche Fitness sich auf die Leistungsfähigkeit auswirkt. Das gilt auch bei Videospielen. Man kann sich einfach länger konzentrieren und die Arbeit professioneller ausüben. E-Sportler sind deshalb selbst daran interessiert, körperlich fit zu sein.

Und zum Einwand ‚E-Sport sei kein Sport‘ sage ich den Leuten immer, dass es ok ist, wenn sie mit dem E-Sport nichts anfangen können und sich damit nicht identifizieren. Es gibt genügend Leute, die auch mit Fußball oder anderen Sportarten nichts anfangen können. Es wird immer Leute geben, die dagegensprechen. Aber wenn man es neutral betrachtet, haben alle Sportarten ihre Daseinsberechtigung, alles hat irgendwo Hand und Fuß. Schach und Schießen sind auch Sportarten. Die sportliche Leistung liegt hier ebenso wie beim E-Sport in der geistigen und kognitiven Betätigung sowie der Augen-Hand-Koordination. Unabhängig davon ist E-Sport übrigens auch körperlich anstrengend. Jeder kann gern mal einen ganzen Tag ein Turnier mitspielen oder auf die entsprechenden Statistiken der Sporthochschule Köln schauen. Die körperliche Belastung eines E-Sportlers während eines Turniers ist ähnliche intensiv wie die körperliche Belastung bei einem Marathonlauf.

Man wird es nie allen Leuten recht machen. Aber das generelle Bild des E-Sports hat sich definitiv und zum Glück in den letzten Jahren gewandelt.

„Turniere, Preisgelder, mediale Reichweite – es wird alles mehr“

MW: Wie siehst du denn die Entwicklung des E-Sport, insbesondere im Bereich E-Football/FIFA?

SaLz0r: Also im Vergleich zu von vor 10 Jahren liegen Welten dazwischen (lacht). Man muss nur mal auf andere populäre Spiele wie League of Legends, DotA 2 oder CS:GO schauen, die wirklich komplett Arenen füllen, hunderttausende Leute online mitfiebern lassen und bei Turnieren mitunter mehr als 34 Millionen Dollar an Preisgeldern ausschütten. Das ist einfach verrückt.

FIFA ist natürlich noch kleiner als diese Titel. In den letzten fünf Jahren ist die Szene aber wirklich extrem gewachsen. Im Grunde fing alles mit mir und dem VfL Wolfsburg an. Das war die erste Verpflichtung eines FIFA-Profis auf der ganzen Welt. Ein Fußballverein, der einen eigenen E-Sportler unter Vertrag hat. Aber mittlerweile haben 200-300 Vereine auf der ganzen Welt ihre FIFA-Spieler. Es gibt Ligen, es gibt Weltmeisterschaften, es gibt nationale Meisterschaften. Es gibt im Grunde alles wie im echten Fußball.

Die mediale Reichweite nimmt auch von Jahr zu Jahr zu. Und ich bin sicher, dass E-Sport eine gute Ergänzung zum Fußball ist. Dass Leute, die vielleicht gar nichts mit Fußball oder den Vereinen dort zu tun haben, durch FIFA und den E-Sport zum Fußball und zu den Vereinen finden, mit ihnen sympathisieren und eventuell ein Fan von dem Verein werden. Insofern bietet E-Sport wirklich viele Möglichkeiten, gerade auch mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen. Turniere, Preisgelder, mediale Reichweite – es wird alles mehr. Man muss einfach nur mal in Deutschland gucken, wie viele Vereine inzwischen E-Sport-Bereiche haben. Ich bin gespannt wo wir in fünf Jahren sind.

MW: Hat die Corona-Pandemie eigentlich auch Auswirkungen auf den E-Sport?

SaLz0r: Ja, wir bekommen die Auswirkungen der Pandemie auch zu spüren. Sämtliche Präsenzveranstaltungen wurden verschoben oder abgesagt. Das ist enorm schade, weil die Situation ja gerade für unseren Bereich viele Möglichkeiten bietet. Aber leider ist EA Sports [Entwickler der Videospielreihe FIFA, Anm.d.Red.] mit FIFA da im Vergleich zu anderen E-Sport-Titeln etwas hinterher. Es gibt einfach noch keinen Zuschauermodus, also eine dritte externe Person kann sich nicht in eine Begegnung einklinken und sie als Zuschauer anschauen. Darum muss immer einer der Spieler die Begegnung streamen. Der streamende Spieler hat aber eventuell einen Nachteil gegenüber dem anderen Spieler, weil er seine Internetverbindung stärker beansprucht und es deshalb zu Lags und Rucklern kommen kann. Nur deswegen ist es bei FIFA so schwer richtige Turniere rein digital zu veranstalten. Mit einem Zuschauermodus hätten wir in letzter Zeit sicher schon einige coole Aktionen mehr gemacht.

„Da kann sogar ich als alter Hase noch einiges lernen“

MW: Du bist Teil des E-Sport-Teams des VfL Wolfsburg. Kannst du uns etwas zu dem Team, den Teammitgliedern und deiner Rolle im Team erzählen?

SaLz0r: Klar, ich bin einer der wenigen Spieler an der Playstation 4. Daneben haben wir noch den Wolves E-Academy-Spieler Riad an dieser Konsole, der auch starke Leistungen gezeigt hat.

An der Xbox haben wir uns letztes Jahr mit Dylan „DullenMike“ Neuhausen einen jungen Spieler mit viel Potenzial ins Team geholt. Er hat letztes Jahr mit gerade einmal 16 Jahren auch schon ein ChampionsTurnier gewonnen. Trotz seines jungen Alters ist er aber schon sehr erfahren was FIFA angeht. Er hat dieses Jahr auch schon extrem gute Leistungen abgeliefert und ist auch bei der DFB eNationalmannschaft mit am Start. Mit so jemandem zusammenzuarbeiten ist natürlich sehr gut. Da kann sogar ich als alter Hase noch einiges von ihm lernen.

Dann haben wir daneben mit Benedikt „BeneCR7x“ Bauer noch einen weiteren Xbox-Spieler. Er kam letztes Jahr aus der Wolves E-Academy und wurde von dort hochgezogen in den Profikader. Mit ihm haben wir die Virtuelle Bundesliga Club Championship (VBL) gespielt und waren dort auch relativ erfolgreich, er und ich im Duo.

Wenn wir als Team irgendwo vor Ort unterwegs sind oder irgendwas gemeinsam unternehmen, dann nehme ich meisten die „Sprachrolle“ ein (lacht). Die anderen geben natürlich auch Interviews, aber ich sehe mich schon wie eine Art Teamcaptain. Wir sind oft im Discord-Kanal und tauschen uns aus, gucken teilweise auch Spiele gemeinsam an. Zudem haben wir noch einen Coach, der unsere Spiele analysiert und wir geben uns auch gegenseitig Feedback. Bei uns herrscht Teamgeist, auch wenn die einzelnen Wettbewerbe im 1on1 Modus stattfinden und deshalb jeder für sich selbst spielt. Wir freuen uns immer miteinander und gönnen uns auch gegenseitig den Erfolg!

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Der VfL Wolfsburg betreibt eine eigene E-Academy

MW: Und habt ihr für die Zukunft spezielle Ziele?

SaLz0r: Ein schönes Ziel wäre auf jeden Fall die VBL für den VfL Wolfsburg zu gewinnen. Bisher haben wir dort einmal den 6. und einmal den 5. Platz erreicht. Wenn wir für Wolfsburg ein Turnier gewinnen würden oder bei der Weltmeisterschaft oben mit dabei wären, das wäre schon super. DullenMike hatte sich letztes Jahr auch schon für die Weltmeisterschaft qualifiziert. Dieses Jahr sah es auch gut aus, aber man weiß ja noch nicht wie es weitergeht wegen Corona. Aber immerhin soll die Deutsche Meisterschaft im Einzel (VBL Grand Finals) demnächst stattfinden. Dafür sind wir alle qualifiziert. Es wäre ein Traum, wenn einer von uns Deutscher Meister würde!

MW: Vielen Dank für das Gespräch!

SaLz0r: Gerne!


Über SaLz0r

Benedikt „SaLz0r“ Saltzer ist 28 Jahre alt. Er ist E-Sportler und spielt für den VfL Wolfsburg professionell Videospiele der Videospielreihe „FIFA“. Im Verlauf seiner Karriere gewann er bereits mehrfach die Deutsche Meisterschaft. Seit Jahren gehört SaLz0r zu den Top 50 der Welt. Seine Tätigkeit als Trainer der eNationalmannschaft brachte ihm den Spitznamen „E-Jogi“ ein.

SaLz0r verfügt über eine der größten Communities unter den FIFA-E-Sportlern. Über 170.000 Menschen folgen seinen Aktivitäten auf Social-Media. Insbesondere auf der Streamingplattform Twitch.tv ist er bekannt und beliebt. Aktuell hat er dort knapp 72.000 Follower.

Neben seiner Tätigkeit als E-Sportler spielt SaLz0r aktiv Fußball. Er ist Stürmer und hat in der aktuellen Saison bereits 16 Tore in 15 Spielen geschossen. Insgesamt zählt seine Bilanz 116 Spiele, 77 Tore und 16 Vorlagen.

Niedersachsen.digital

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Wir sind die Plattform der digitalen Vorreiter Niedersachsens. Wir vernetzen die digitalen Köpfe unseres Landes und teilen deren Wissen. Wir stellen Best-Practice-Lösungen aus Niedersachsen vor und diskutieren aktuelle Trends. Alles für ein Ziel: Mehr Niedersachsen nachhaltig zu digitalen Vorreitern zu machen. Im Beruf und privat.

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