Interaktiver Wissenstransfer durch Audience Response Systeme

person hebt hand bei vortrag

Im Veranstaltungsmanagement des Wissenstransfers zwischen Hochschulen und Praxisakteuren scheint die Wissensgesellschaft noch nicht vollumfänglich im 21. Jahrhundert angekommen zu sein. Veranstalter vertrauen bei der Informations- und Faktenvermittlung weiterhin häufig auf frontale Präsentationsformen und drängen die Teilnehmenden von Kongressen, Tagungen oder Meetings in die Rolle der passiven Rezipienten. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Aufmerksamkeit schnell sinkt, ist dabei hoch.

Vier Gründe für ARS

1. Der Wissenstransfer braucht partizipative Formate

Die Möglichkeiten innovativer und partizipativer Formate unter Einbezug moderner Digitaltechnik werden so in Veranstaltungen des Wissenstransfers noch nicht voll ausgeschöpft. Erfahrungen aus anderen universitären Bereichen – zum Beispiel der Lehre – zeigen, dass eine Aktivierung der Teilnehmenden durch Zuhilfenahme digitaler Anwendungen eine weit intensivere Auseinandersetzung mit Themen, Fragestellungen und Meinungen erzeugt.

Im Folgenden wird auf sogenannte Audience-Response-Systeme (ARS) eingegangen. Es handelt sich dabei um Internetplattformen beziehungsweise Hardware, die selbst in größeren Veranstaltungssälen und darüber hinaus eine erweiterte Kommunikation zwischen Vortragenden und Zuhörenden ermöglichen. Dies kann je nach Intention der Vortragenden und Leistbarkeit des Tools sowohl Fragen als auch Arbeitsanweisungen beinhalten.

2. Audience Response Systeme als Lösung

Softwarebasierte ARS nutzen das vorhandene WLAN beziehungsweise Mobilfunknetz, die Teilnehmenden geben über Smartphone, Tablet oder Notebook ihr Feedback. Bei vielen Anwendungen ist die Reaktion auf Anmerkungen beziehungsweise die Einbettung der Ergebnisse in Echtzeit möglich. Dies erlaubt es, den Ablauf eines Vortrages ad hoc anzupassen.

Gerade bei Fachvorträgen, bei denen unterschiedliche Wissensstände oder abweichende Erfahrungen bei Forschenden und Praktikern vorliegen, kann durch die Unkompliziertheit der Rückmeldung schnell auf solche Situationen reagiert werden.

3. Hemmschwellen werden aufgelöst

ARS-Systeme sind meist intuitiv in der Handhabung. Ein großer Vorteil, den diese Tools bieten, ist die Möglichkeit, jeden einzelnen Teilnehmenden zeitgleich zu aktivieren – unabhängig von der Publikumsgröße. Hemmschwellen, vor einem großen Auditorium zu sprechen, können so aufgelöst werden.

Neben der technischen Dimension – ohne Mikrofonunterstützung sind Wortmeldungen oft schwer verständlich – stellt sich die Effizienzfrage. Wenn jeder eine Frage in Echtzeit stellt, geht dies zulasten der Zeit, die für die Vermittlung von Inhalten bleibt.

4. Direktes Feedback an Teilnehmer erhöht Partizipation

Essenziell für den Erfolg eines ARS in der Praxis ist die Reaktion der Vortragenden auf Antworten aus dem Publikum. Unbedingt sollte auf das Feedback der Teilnehmenden unmittelbar und angemessen reagiert werden. Aus Publikumsperspektive rechtfertigen diese Reaktionen den mit der Beteiligung verbundenen Aufwand. Teilnehmer werden motiviert, weitere Beteiligungsmöglichkeiten aktiv zu nutzen. Das Publikum muss verstehen, dass es einen direkten Einfluss auf das aktuelle Geschehen hat.

Im Folgenden werden zwei Anwendungsbeispiele aus dem Transferkontext vorgestellt.

Beispiel 1: Online Voting als Rückkanal

Im September 2017 verfolgte das Team des Digital-Knowledge-Transfer-Projekts an der Leuphana Universität Lüneburg im Rahmen zweier Konferenzen das Ziel, eine stärkere digitale Einbindung von Veranstaltungsteilnehmenden in Vorträge zu erproben. Zu diesem Zweck kam bei beiden Events ein ARS-Tool (Mentimeter) zum Einsatz.

Bei den Veranstaltungen handelte es sich zum einen um die Online-Marketing-Konferenz (OMK), die jährlich in Kooperation mit einem regionalen mittelständischen Unternehmen organisiert und von 600 bis 700 Teilnehmenden besucht wird, und zum anderen um das Leuphana Energieforum, bei dem Wissenschaftler der Universität mit rund 130 Praxisakteuren über Herausforderungen der regionalen Energiewende diskutieren.

Verschiedene Fragetypen sind möglich

In beiden Veranstaltungen erhielten die Referenten die Möglichkeit, durch die Verwendung des ARS-Tools Fragen an das Auditorium in ihre Präsentationen aufzunehmen. Dazu konnten sie auf der Webplattform des Anbieters unterschiedliche Fragetypen, zum Beispiel Multiple Choice, Word Cloud oder Likert-Skala, anlegen.

Während der Vorträge konnten sich die Anwesenden mit den Webbrowsern ihrer Smartphones, Tablets oder Notebooks per Kurz-URL und Zahlencode bzw. scanbarem QR-Code auf die Umfrageseite einloggen und dort ihre Rückmeldung zu den einzelnen Fragen geben.

Die Vortragenden erhielten dann live eine quantitative Auswertung. Die Antworten konnten zu jedem beliebigen Zeitpunkt während der Präsentation angezeigt werden.

Unkompliziertheit überzeugt

Technisch überzeugte die Anwendung durch ihre Unkompliziertheit. Die Referenten waren schnell in der Lage, ihre Fragebögen auf der Webseite des Tools zu erstellen. Und auch für die Zuhörenden ist die Partizipation niedrigschwellig.

Es ist keine Installation einer App notwendig und auch die Webseite erfordert keine weitere Registrierung des einzelnen Users. Die Webseite ist responsiv gestaltet und kann somit auch auf verschiedenen mobilen Endgeräten einfach genutzt werden.

Einbindung in Präsentationssoftware könnte besser sein

Als verbesserungswürdig fiel auf, dass eine Einbindung der Umfrageresultate und Charts in vorhandene Präsentationssoftware nur mit neuester Powerpoint-Version und einem Office-365-Account möglich ist. Da diese bei der Veranstaltung nicht zur Verfügung standen, mussten die Vortragenden laufend zwischen Präsentation und ARS-Darstellung wechseln. Dies unterbrach teilweise den Redefluss der Referierenden.

Fazit: Publikum reagiert positiv – Aktivierung gelungen

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Aktivierung des Publikums durch die Nutzung der Audience-Response-Anwendung positiv zu bewerten ist. Die Referenten, die das System eingesetzt haben, berichteten, dass sie im Vergleich zur klassischen Frontalsituation eine stärkere Nähe zu ihren Zuhörern empfunden hätten. Auch die Resonanz des Publikums war größtenteils positiv. Die anhaltend hohe Zahl der Rückmeldungen auf die Fragen zeigt die Bereitschaft des Auditoriums, in einen wechselseitigen Kommunikationsprozess einsteigen zu wollen.

Besondere Aufmerksamkeit erzeugte die Reaktion auf eine Frage, auf die zum Ende des Energieforums über das ARS geantwortet werden konnte: Die Teilnehmenden wurden eingeladen, über das Tool ihre Kontaktdaten zu hinterlassen, wenn sie mehr Informationen zum Thema wünschten. Die hohe Zahl der Subskriptionen auf dieser virtuellen Mailingliste überraschte selbst die Initiatoren der Abfrage. Und sie zeigt deutlich, dass ARS ein geeignetes Instrument sind, um den Wissenstransfer zu unterstützen und die transdisziplinäre Kooperation zwischen Hochschulen und Praxisakteuren auszubauen

Beispiel 2: Interaktiver Wissenstransfer bei Leadership Garage

Im Januar 2018 fand an der Leuphana Universität Lüneburg unter dem Titel „Leading Innovation – Führung in der digitalen Arbeitswelt“ eine Veranstaltung des Projekts „Leadership Garage“ statt, in der Praxisvertretern wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Projektarbeit vermittelt wurden.

Ziel der Veranstaltung war es, die Teilnehmenden mit Design Thinking bekannt zu machen. Zur praktischen Erprobung dieser Arbeitstechnik wurden die rund 120 Teilnehmenden in 20 Arbeitsgruppen eingeteilt.

Auch hohe Teilnehmerzahlen eignen sich für ARS

Eine zentrale Herausforderung bestand darin, die große Zahl der Teilnehmenden in einem großen Areal zeitgleich zu instruieren und zu koordinieren. Zur Unterstützung dieser Ziele wurde das digitale Tool Nearpod getestet. Als interaktive Präsentationsplattform bietet es den Teilnehmenden die Möglichkeit, eine gezeigte Präsentation in Echtzeit auf dem eigenen Endgerät zu streamen. Die Wiedergabe wird dabei direkt durch das Projektteam gesteuert. Durch Umfragen oder kurze Quizfragen können die Teilnehmenden zudem aktiv eingebunden werden.

Zur Aktivierung von Großgruppen erweist sich der Einsatz von interaktiven Vermittlungsformaten als zielführend, um eine Mitmachkultur zu etablieren. Die Teilnehmenden der Veranstaltung waren sehr angetan von dem interaktiven Instruktions- und Transferdesign des Tools.

ARS weckt Neugierde bei Teilnehmern

Der Einbezug des eigenen Smartphones in eine derartige Übung war für die überwiegende Mehrheit eine ganz neue und positive Erfahrung. Sie folgten den Inhalten und Arbeitsanweisungen in Form von Videos und Texten auf dem eigenen Gerät mit großer Aufmerksamkeit. Die Nutzung des eigenen Smartphones erzeugte eine große Neugierde und ein hohes individuelles Engagement während der Arbeitsphase. Der Einsatz eines solchen Tools überzeugt durch die Möglichkeit, die Teilnehmenden individuell zu adressieren, zu aktivieren und einzubeziehen.

Fazit auch hier: ARS sind zu empfehlen

Abhängig ist der erfolgreiche Gebrauch entsprechender Tools allerdings davon, dass die Adressaten ein mobiles digitales Endgerät und einen Internetzugang zur Verfügung haben, im Idealfall in Form eines frei zugänglichen WLAN. In Bezug auf die durchgeführte Veranstaltung erwies sich für einige Smartphone-Nutzer als hinderlich, dass für die Nutzung des freien WLANs ein Pop-up-Fenster geöffnet bleiben muss.

Die Verwendung entsprechender Tools in Transferveranstaltungen ist insgesamt empfehlenswert für interaktive Parts und einfach zu realisieren.


Der Beitrag wurde erstmals veröffentlicht auf MEZZANIN, dem Online-Magazin des Projektes „Digital Knowledge Transfer Model“ an der Leuphana Universität Lüneburg, gefördert vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und dem Land Niedersachsen.

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